An der Spitze der Guten
Derzeit fliegen bei jeder Anti-PEGIDA-Demo Flaschen und Böller, Polizisten werden getreten und mit Steinen beworfen. Alles im Namen der Toleranz, unter dem bunten Regenbogen und vegan-gewaltfrei. Viele Freunde sprechen im Angesicht dieser brachialen Gewalt der Tugendwächter von einem unerhörten Ausnahmezustand oder gar von der Niedergangsgesellschaft.
Das tugendbündlerische Eifern, welches wir gerade beobachten, ist jedoch keineswegs eine neue Erscheinung. Die studentische Jugend hat sich in der deutschen Geschichte oft als Avantgarde verstanden und war entsprechend radikal. Bereits bei der Bekämpfung der Franzosen 1809 bis 1814 organisierten sich Studenten in Freischaren und suchten nach Abenteuern und ihrem Platz in den Geschichtsbüchern. Nach der Vertreibung der Franzosen kam dieser durchaus berechtigte patriotische Eifer jedoch nicht zum Stillstand.
„Die Kleinstaaterei verhindert Deutschlands Größe auf dem Erdenrund. Wer seinen Kindern die französische Sprache lernen läßt, ist ein Irrender, wer darin beharrt, sündigt gegen den heiligen Geist. Wenn er aber seinen Töchtern französisch lehren läßt, ist das ebenso gut, als wenn er ihnen Hurerei lehren läßt. Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück“, das schrieb Friedrich Ludwig Jahn bereits 1810 in seinem Buch „Deutsches Volkstum“. Im Oktober 1817 ließ er eine Bücherverbrennung auf der Wartburg organisieren bei der auch August von Kotzebues „Geschichte des deutschen Reichs“ in den Flammen landete.
Einer der Nacheiferer von Jahn war der Student Karl Ludwig Sand. Er nahm am Burschenschaftstreffen auf der Wartburg teil und war Mitglied des Festausschusses sowie Fahnenbegleiter beim Zug auf die Wartburg. Am 23. März 1819 erstach Sand mit den Worten „Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ den tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen russischen Spion August von Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung.
Kurz darauf im August 1819 begannen in ganz Deutschland antisemitische Unruhen. Ihren Namen erhielten diese Aufläufe durch den mehrfachen Hetzruf „Hep“ oder „Hepp“, mit dem die Studenten sich sammelten und Juden bedrohten. Die Unruhen brachen in Würzburg aus, einer Stadt, die damals erst kurze Zeit zum Königreich Bayern gehörte und die eine Uni beherbergte. 1813 hatte das Königreich Bayern die Juden gleichgestellt und die jüdische Bevölkerung Würzburgs wuchs in kurzer Zeit von 1813 bis 1819 von Null auf 400 Personen an. Am Abend des 2. August 1819 begannen die Würzburger Unruhen. Ein Haufen aus Studenten und Bürgern versammelte sich. Heinrich Graetz schilderte den Hergang wie folgt:
„Plötzlich wurde ein alter Professor Brendel bemerkt, der kurz vorher zugunsten der Juden geschrieben hatte. Es hieß, er habe dafür von ihnen eine Dose voll Dukaten bekommen. Bei seinem Anblicke erscholl aus dem Munde der Studenten der unsinnige Ruf ‚Hep-Hep!‘ mit dem pöbelhaften Zusatz ‚Jud‘ verreck! … Brendel wurde verfolgt und mußte sich retten.“
Die Hep-Hep-Unruhen breiteten sich binnen kürzester Zeit auf ganz Deutschland aus.
Zusammen mit diesen Ausschreitungen und dem Streikversuch Göttinger Studenten im Vorjahr löste das Entsetzen über Sands Mord im Bürgertum und Adel eine breite Debatte über den Verfall von Disziplin und Moral an den deutschen Universitäten aus. Die Heilige Allianz um Fürst Metternich reagierte endlich und zog im Ergebnis der Karlsbader Beschlüsse Ende 1819 den Turnvater Jahn aus dem politischen Verkehr. Nun war einige Jahre Ruhe.
Mitte der dreißiger Jahre entwickelte sich mit den Junghegelianern ein weiterer studentischer Brandherd. Friedrich Engels hat eine Karikatur einer Versammlung dieser Studenten hinterlassen: Max Stirner links neben dem Tische stehend und rauchend, es herrschte offensichtlich revolutionäres Chaos, wie ein umgeworfener Stuhl, umgeworfene Gläser, Gewaltsgesten und umherfliegende Papiere beweisen.
Das Studentenleben in der Kaiserzeit bestand zu einem nicht geringen Teil aus Alkoholmißbrauch und dem Schlagen von Mensuren. Meine Großmutter vermietete in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Studentenbude an einen adligen Studenten, den Sohn des Landeshauptmanns von Zitzewitz. Dieser hatte seine Kneipe, in der er auf einem Stuhl saß, welcher wiederum auf einem Tisch stand. Ab und zu gab es ein Duell mit ihm. Den Eingang zum Hörsaal benutzte er kaum.
Wieder bildeten sich in der Weimarer Republik wie in der Franzosenzeit studentische Freikorps. Auf das Konto dieser Verbände ging zum Beispiel der Putschversuch gegen die Reichsregierung im Jahr 1920 und der Mord am Reichsaußenminister Rathenau. Ein zeitgenössischer Knittelvers aus dem studentisch-soldatischen Milieu scheint das zu untermauern:
“ Knallen die Gewehre – tak, tak, tak
Aufs schwarze und aufs rote Pack.
Auch der Rathenau, der Walter,
erreicht kein hohes Alter.
Knallt ab den Walter Rathenau,
Die gottverfluchte Judensau!“
Wikipedia referiert über den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund: „Nach heftigem Widerstand des alten Vorstandes übernahm der NSDStB auf dem Studententag im Juli 1931 die Führung der Deutschen Studentenschaft (DSt)… Im Juli 1932 war die faktische Selbstgleichschaltung der DSt vollzogen: Auf dem Königsberger Studententag erschienen die Delegierten in den Uniformen der NSDAP-Gliederungen; an nahezu allen Universitäten stellte der NSDStB den Allgemeinen Studentenausschuss (AStA).“ Vor der Machtübernahme Hitlers waren die Unis bereits tiefbraun. Als Deutschland mit studentischer Hilfe endlich nationalsozialistisch geworden war, ließ der studentische Eifer ab etwa 1935 spürbar nach.
Die nächste Station studentischer Radikalität war das Jahr 1968. Die Studenten liefen mit Mao-Bibeln in Massen einem chinesischen Bauernführer hinterher. Oder sie verehrten Pol Pot und Enver Hoxha. Die extreme Avantgarde versammelte sich in der Kommune 1 und später in der Baader-Meinhof-Bande. In der 89er Revolution vermißte man die Studenten dagegen.
Die Radikalität der studentischen Antifa steht also in einer historischen Kontinuität. Heute wird der Kampf gegen Rechts mit Fördergeldern, kostenlosen Konzerten und zwangsverpflichteten Mitläufern geführt. Für das Verteilen von Werbemitteln gibt es Mindestlohn, Schüler werden wieder einmal von ihren Lehrern zum Mitlaufen angehalten, ganze Horden von Staatsbediensteten werden von ihren Chefs zum Demonstrieren genötigt. Da haben es die verbleibenden Idealisten, die engagiert und freiwillig gegen PEGIDA, LEGIDA und FRAGIDA lamentieren sehr schwer. In einer Masse von Zehntausenden Gutmenschen als Vorhut noch aufzufallen verlangt hohen Einsatz.
Und das Letzte ist: Zur Demo rufen mittlerweile CDU-Spießer wie Helma Orosz und Stanislaw Tillich auf, selbst mit FDP-Hanseln muß man mitmarschieren. Von denen hat man noch 2009 die Wahlplakate massenweise runtergefetzt und jetzt machen die dicke Tinte mit der Antifa!
Man kann sich von diesen pettybourgeoisen Elementen schon noch unterscheiden. Mit den stärkeren Böllern, mit wirkungsvollen Steinwürfen, Pfefferspray und der Sprengung einer Taz-Veranstaltung. Mit Brandstiftung in Kabelschachten der Deutschen Bahn und mit der Demolierung eines Polizeireviers. Auf den Spuren von Karl Ludwig Sand…
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