Der Selbstmord der Leitmedien
Die deutschen Leitmedien sind das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die überregionalen Tageszeitungen. Sie veröffentlichen ihre eigene Meinung, die des ökologisch-industriellen Komplexes und die der Parteien. Letzteres nur wenn die Parteien auch artig sind, also wenn sie sich mühen das Wohlwollen der Chefredaktionen zu erheischen.
Aber haben die Leitmedien noch den Einfluß wie zu Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt? Früher gehörte es zum guten Ton, daß man eine Zeitung abonnierte. Die Tagesschau und die Nachrichtensendungen des ZDF waren Straßenfeger. Man kann davon ausgehen, daß diese Medien eine Durchdringung der Gesellschaft von über 80 % hatten. Es waren vor allem Jugendliche zwischen 16 und 30 Jahren, die keine Zeit zum Fernsehen hatten oder kein Geld für die Zeitung. Und ein paar Anarchisten, Penner und Nonkonformisten, die von der Meinungsindustrie unterversorgt wurden.
Damals betrug die Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl noch bis zu 90 % und über 95 % wählten drei etablierte Parteien. Eine Regierung wurde damals unter Berücksichtigung der hohen Wahlbeteiligung noch von bis zu 50 % der Einwohner gewählt. Für die Politik und die Medien ein goldenes Zeitalter.
Heute hat Deutschland 81 Mio Einwohner. Davon sind etwa 85 % im medienfähigen Alter. Wenn man von den Teletubbies mal absieht. Das sind also 69 Mio. Leute.
In Deutschland ist bei der Ermittlung von Einschaltquoten des TVs die Zuschauerzahl als Maßeinheit üblich. Am Freitag 12.12.2014 hatte die Tagesschau 3,41 Mio. Zuschauer und „Heute“ 4,44 Mio. Macht zusammen 7,85 Mio. Nun muß man noch einen Zuschlag von 2 Mio draufgeben, die Spätausgaben sehen, weil sie zwischen 19 und 20 Uhr noch keine Zeit oder keine Lust haben. Oder weil sie Lust auf was Schönes haben. Wenn wir 10 Millionen Nachrichtenkonsumenten annehmen, sind wir wohl auf der richtigen Seite. Das sind 14,5 % der fernsehfähigen Einwohner.
Nun mag nicht jeder Politik. Viele Leute sehen deshalb Krimis. Das ist ja auch Politik, nämlich in Kriminalität verpackt und im wabernden Moralinnebel. Die Täter sind meistens rechtsradikale Männer, die ein Geschäft betreiben. Die angestellte Beamtin aus der „alternativen“ Szene ist dann Polizistin und fängt die bösen weißen Männer. Am Freitag liefen also SOKO und „Der Alte“ mit insgesamt 10,08 Mio Zusehern. Wieder nur 14,5 %.
Es gibt ja auch noch die Tageszeitungen. Die stecken nur noch in knapp 30 % der Briefkästen. Eine aktuelle Media-Analyse behauptet dagegen, es seine 51,1 %. Diese Statistikexperten haben aber noch nie Zeitungen ausgetragen und tatsächlich existierende Briefkästen gesehen. Sie haben ein Interesse an Übertreibungen, weil sie den Werbekunden suggerieren wollen, daß die Zeitungen ganz toll viele und wichtige Leser haben. Es sind jedoch überwiegend Rentnerbriefkästen, viele Zeitungen haben nur noch einen Witwer oder eine Witwe als Leser, den sogenannten Überlebenden. Deshalb liegt auch hier die Reichweite real deutlich unter 30 %, vielleicht bei 25 %. Und diese 25 % sind gleichzeitig die treuesten Verbraucher und Vasallen der Fernsehanstalten. So daß man Zeitungsleser und Fernseher nicht einfach zusammenzählen kann. Die Klientel überlappt sich weitgehend.
Selbst BILD befindet sich auf Allzeittief. Immer weniger Deutsche arbeiten als Kraftfahrer oder auf dem Bau. BILD verkaufte sich 2014 nur 2,44 Millionen mal pro Tag. Das ergibt eine Durchdringung der Bevölkerung von 4 bis 5 %, wenn man annimmt, daß einige Exemplare auf Baustelle zweimal gelesen werden.
Nun gibt es ja das Argument, daß immer mehr Deutsche und Zugereiste das Internet nutzen. Und über das Netz die Tagesschau, die großen Zeitungen oder „Heute“ konsumieren. Für die Zeitungen ist das zutreffend, für das Fernsehen eher nicht. Nur etwa 15 % der Internetnutzer verirren sich auf den Seiten des Fernsehens. Da wird eher mal eine versäumte Folge gesehen, als Nachrichten.
AGOF internet facts gibt die Zahl der User von regionalen Online-Zeitungen mit monatlich 22,5 Millionen an, die von überregionalen Zeitungen mit 17 Millionen, allerdings auch monatlich. Täglich ist das natürlich nicht mal die Hälfte. Und regionale und überregionale Angebote werden natürlich wieder von denselben Usern genutzt.
Wenn man davon ausgeht, daß bis zu 60 % der Bevölkerung von den Leitmedien irgendwie recht und schlecht noch erreicht werden, ist man vermutlich auf der sicheren Seite. Das deckt sich auch mit Wahlergebnissen. Die drei Parteien, die in den 70er Jahren noch 85 % der Wahlberechtigten motivieren konnten das Kreuz zu machen, kommen heute unter Berücksichtigung der geringeren Wahlbeteiligung noch auf 30 bis 40 % der Wahlberechtigten. Oder nur auf 25 % wie kürzlich bei drei Landtagswahlen.
In den siebziger Jahren stand das ARD im Ruf, Regierungspropaganda zu machen, das ZDF galt als Oppositionssender. Das erhöhte die Motivation doch mal einzuschalten. Heute sind beide Sendeanstalten vollkommen gleichgeschaltet. Man könnte sie ohne Schaden zusammenlegen. Aber selbst wenn sie den Ehrgeiz hätten, sich journalistisch zu unterscheiden: Was sollen sie denn Unterschiedliches von CDU und SPD berichten? Sie müßten eine virtuelle Realität erfinden. Und die Opposition aus Linken und Grünen ist ja auch nicht mehr dagegen. Sie will niemals weniger, sondern immer nur mehr von der aktuellen Regierungspolitik.
Umgekehrt: Wenn die Parteien wieder Unterschiede entwickeln würden, wäre der Gegenwind der Medien gewiß. Mit Abscheu verfolgen die Medien PEGIDA, Professor Sinn, die AfD und alle ausländischen Entwicklungen, die nicht aus dem engen medialen Geburtskanal als Multikulti oder Eurojubel rausrutschen.
Ein Teufelskreis: Die Medien verhungern am eigenen Einheitsbrei und behindern politische Alternativen. Der Konformismus der Berliner Parteien wiederum erzeugt kein Kraftfutter für die Medien(horn)ochsen. Wenn die Medien nicht über ausländische Dissidenten wie Erdogan, Le Pen und Abu Bakr al-Baghdadi spektakeln und spekulieren könnten, wären sie schon lange am Ende.
Volle Zustimmung zu dem Artikel. Als ein Zeitgenosse mit der Gnade der späten Geburt – gottseidank wuchs ich nicht in der Hitler-Diktatur auf – erlebte ich in den 50er Jahren wie um die Sache sachlich gestritten wurde, Beispiel Wiederbewaffnung. Selbst sehr viel später wurde noch sachlich bei einzelnen Themen diskutiert, siehe § 218. Kritiker wurden damals nicht als fundamentalistische klerikale Christen beschimpft. Aber, lang, lang ist es her mit sachlicher Auseinandersetzung der Linken.