Der Kunstmarkt und der Kotau vor dem Zeitgeist
Gesinnungskunst hat es immer gegeben. Also Kunst, die dem Zeitgeist huldigt und eine herrschende Stimmung oder Gesinnungsgenossenschaft bedient. Uns fällt da zunächst immer der sozialistische Realismus ein, im Westen auch nationaler Historismus genannt. Impressionisten malten was sie sahen, Expressionisten zeichneten was sie fühlten und sozialistische Realisten brachten aufs Blatt oder modellierten was sie von den Machthabern hörten. Im heutigen Kunsthandel sind 80 % davon unverkäuflich. Aber es war ja nicht nur die Staatskunst Hitlers und Stalins, die in diese Schublade des Mainstreams gehört. Die Zeit vor und nach den Diktaturen des 20. Jahrhunderts weist auch diesen Drang zum Modischen auf.
Fast unversteigerbar auf Kunstauktionen sind die zahlreich angebotenen Handwerker- und Arbeiterbronzen der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie zeigten damals die Affinität des Besitzers zum alten deutschen Handwerk eines Hans Sachs, zur Materialgerechtigkeit, zum Meisterzwang und waren Ausweis der Gegnerschaft zur industriellen Maschinenarbeit, also auch zum sogenannten Marxismus und Kapitalismus. Oder die Jugendstil-Zinnkannen, die die ungeschlachte Größe aufweisen, daß der Übermensch sich daraus einen einschenken konnte. Und die beim Nachverkauf der Auktionen in Massen rumstehen.
Die Nachkriegskunst nach 1945 bzw. 1990 ist ebenfalls weitgehend ein Zug der Lemminge. Wenn man einen unproportionierten Farbklecks sieht oder eine verrutschte abstrakte Komposition, befindet man sich in einem öffentlichen Gebäude, in der Kanzlei bzw. Praxis eines Freiberuflers oder dem geschmacklosen Besprechungsraum eines Industriellen oder einer Versicherung. In jedem Klo, in jeder Bank macht Malerei die Leute krank. Es ist wie um 1900 oder um 1935 ein Gruppenzwang entstanden, etwas Fragwürdiges schön zu finden. Die Maler und Bildhauer schaffen des Kaisers neue Kleider. Niemand traut sich eine Kritik zu, denn dann könnten die Anderen denken, daß man für sein Amt nicht tauge.
Für den Kunstmarkt als Wertanlage ist das fatal. Die Kunst der Jahrhundertwende und des Dritten Reiches ist heute spottbillig zu haben, wenn man von Spitzenerzeugnissen der Wiener Werkstätten, von Èmile Gallé und anderen Künstlern, die auch etwas konnten, einmal absieht. Die Preise für Picasso, Grosz und andere Protagonisten der klassischen Moderne gehen von ungeahnten Höhen bereits jetzt in den freien Fall über. Diese Entwertung wird in ein bis zwei Jahrzehnten auch die ganze neuzeitliche Moderne betreffen, wiederum von wenigen wirklichen Könnern abgesehen.
Der ganze wohlfeile Dilettantismus wird im Müllcontainer oder auf dem Flohmarkt landen, so wie dies mit Stimmungskunst und Gefühlskitsch immer schon der Fall war. Der Sammler und auch der Anleger auf dem Kunstmarkt sollten ein waches Auge auf die handwerklichen und kompositorischen Fähigkeiten der Künstler werfen. Denn Gesinnungen wechseln, Fähigkeiten bleiben und überdauern. Selbst hartgesottene Atheisten können die perfekte Darstellung einer Heiligen aus dem 17. Jahrhundert erfassen und Christen könne sich an gekonnten Aktdarstellungen erfreuen. Die Kirchen des 18. Jahrhunderts waren voll davon. Lasziv wirkende Engel sind eine Spezialität des Rokoko. Die von der korrupten Kunstkritik hochgejubelten Dekonstruktionskleckseleien und semiplastischen Materialklumpen, die derzeit stark überbewertet sind, werden preislich jedoch kollabieren.
Es gibt auf dem Kunstmarkt Bluechips wie Klassizismus, Empire und Biedermeier. Aber selbst bei diesen durch Alter geadelten Kunstwerken lohnt sich immer der zweite Blick auf die wirkliche Qualität und Meisterschaft. Kunst kommt von Können und nicht von Glauben.
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