Wirtschaften ist ein Naturprozeß
Der Besucher eines Supermarkts kann sich derzeit von einem dramatischen Preisverfall überzeugen. Äpfel kosteten vor einem Jahr 25 % mehr als in diesem Herbst. Das lag einfach an der Kältewelle im Frühsommer 2013, die fast zu einem Totalausfall der deutschen Apfelernte geführt hatte. Von fünf Apfelbäumen im Garten hatte ich 2013 eine einzige Stiege Äpfel von minderster Qualität geerntet. Umgekehrt herrschte diesen Sommer ein optimales Wetter für das Kartoffelwachstum, was dazu führte, daß pro Kartoffelpflanze nicht wie gewöhnlich 2 kg, sondern 4 kg geerntet wurden. Kartoffeln sind dieses Jahr deutlich günstiger als vor einem Jahr. Da kommt immer das Argument der Deflations-Crash-Propheten: Es käme eine Kaufverweigerungsspirale in Gang, weil die Leute noch niedrigere Preise abwarten würden. Also erstens: Den Kauf von Kartoffeln kann man nicht aufs nächste Jahr verschieben. Zweitens: Wenn Kartoffeln zu billig werden bauen die Bauern im nächsten Jahr etwas anderes an und der Preis steigt. Drittens kann man den Kauf von Diesel nicht verschieben, wenn man regelmäßig zur Arbeit fahren muß. Viertens zögert niemand den Kauf eines Computers heraus, weil die immer billiger werden. Wenn ein altes Betriebssystem nicht mehr gewartet wird muß man einen neuen Compi kaufen. So einfach ist das.
Wir müssen einfach akzeptieren, daß es Ernteausfälle und Rekordernten gibt mit Reaktionen auf den Preis. Das hat mit einer Wirtschaftskrise nichts zu tun. Diese Ernteschwankungen haben auch fast keinen Einfluß auf Inflation und Deflation. Inflation und Deflation werden bei der Zentralbank gemacht, und nicht auf dem Kartoffelacker oder in der Obstplantage. Die Warenmärkte als in der Regel kleine Märkte sind gegenüber den Gelddruckmaschinen bedeutungslos für das Verhältnis zwischen Geldmenge und Angebot. Im Vorjahr herrschte bei Äpfeln und Kartoffeln naturbedingt eine ungewöhnliche Teuerung und dieses Jahr hat sich der Preis normalisiert. Natürlich hätten die Zentralbanken diese Teuerung vermeiden können, wenn sie die Geldmenge stark zurückgefahren hätte. Aber die Anpassung der Geldmenge an die Apfel- oder Kartoffelernte ist natürlich Unsinn…
Stark wetterabhängig sind auch die Energiepreise. Der Energiemarkt hat real eine bedeutende Größe. In Rußland beispielsweise beträgt der Anteil der Energiewirtschaft am Bruttoinlandsprodukt nach Schätzung der Weltbank 25 %. Wenn Rußland, Brasilien, Saudi-Arabien, Australien oder Kanada Energie in den Weltmarkt drücken, ohne daß gerade harter Winter herrscht, hat das Auswirkungen auf die Preise. Diesel kostete vor einem Jahr 1,42 € und heute 1,30 € pro Liter. Das ist ein Rückgang von 8,5 %. Der Brent-Ölpreis ist von 79 € auf 68 € pro Faß eingebrochen. Das ist ein Rückgang von 14 %. Vom Wetter abhängig ist auch die Produktion der Windmühlen und Photovoltaikteppiche. Energiepreise haben natürlich starke Rückwirkung auf das allgemeine Preisniveau. Fast nichts kann ohne Energie hergestellt und transportiert werden. Wer bei im Durchschnitt fallenden Energiepreisen stark steigende Konsumgüterpreise erwartet, der hat von den elementaren physikalischen Gesetzen der Wirtschaft nichts verstanden.
Worauf ich hinauswill: Es macht keinen Sinn, die Preise wie in einer Zwangswirtschaft kontrollieren und steuern zu wollen. Mit Teuerung und Preisverfall müssen wir leben, weil das durch die natürlichen Voraussetzungen des Lebens und der Produktion so vorgegeben ist. Um Schwankungen auszugleichen wurden früher Vorräte angelegt. In den sieben fetten Jahren schatzte der Pharao Korn auf, um es in den sieben mageren Jahren angebotserhöhend einzusetzen. Diese Denkweise Reserven anzulegen hat sich in den modernen Volkswirtschaften verflüchtigt. Der moderne Sozialismus ist eine just-in-time-Ökonomie ohne Puffer ohne Rücksicht auf das Wetter und die Natur. Wirtschaftsaktivitäten und Steuereinnahmen müssen so wachsen wie geplant, weil die stets überstrapazierten Staatsaktivitäten mit ihren fixen Ausgaben es so erzwingen.
Es sind ausgerechnet die Sozialisten aller Couleur, die wachstumsbesessen agieren. Schon Karl Marx hyperventilierte bei jeder kleinen Wachstumsdelle und erdachte als Reaktion die Planwirtschaft. Er war da wirklich nicht allein auf weiter Flur, sondern Kind seiner Zeit. Alles was nicht auf Befehl wuchs und wuchs und wuchs wurde der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus angedichtet und angelastet. Daß dahinter solche Dinge wie das Wetter, Kriege, Naturkatastrophen, Schiffsuntergänge, Änderungen der Moden und Verbrauchsgewohnheiten standen haben die sozialistischen Zwangscharaktere und Bevormundungsspezialisten nie verstanden.
Die Natur selbst ist in einem ständigen Prozess der Veränderung und Anpassung. Sie agiert nur mit Schwankungen und hat dank Gottes Plan schier unendlich viele Regelmechanismen um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die Regenmengen, die Temperaturen, das Pflanzenwachstum und die Arten, Tierpopulationen, alles ist in Bewegung. Auch die Menschen. Natürliche Schwankungen ausschalten zu wollen ist ein alter Albtraum der Menschheit. August Bebel und Leo Trotzki wollten die ganze Natur umbauen, Gebirge versetzen und Flüsse verlegen, Moore austrocknen und Tiere umsiedeln um die Produktion zu verstetigen. Das ist ihnen und ihren sozialistischen Diadochen nur im Ansatz gelungen, und wenn dann mit fragwürdigen Ergebnissen. Die Erde der Ukraine ist auf Grund der riesigen Bewirtschaftungseinheiten erodiert und der Aralsee durch das Anzapfen der Zufüsse ausgetrocknet. Woran sich die Politiker aber immer noch abarbeiten sind Preisschwankungen. Ob es die Arbeit an Mietspiegeln ist, die Preiskontrolle an Tankstellen, die Aufstellung von Wachstumsprognosen oder die Inflationsmessung: Ganze Völkerscharen werden in Bewegung gesetzt, um Preise und Wachstum vorherzusagen und am liebsten einzubetonieren.
Ein Staatshaushalt ist naturgemäß Planwirtschaft. In einer Planwirtschaft braucht es genauso wie in der Marktwirtschaft Puffer und Reserven, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können. Unsere Staatenlenker sollten von Joseph lernen, der dem Pharao riet, eben diese Reserven vorzuhalten. Pharao konnte auf dem Niveau der altägyptischen Lagertechnik nur Korn lagern und hatte ein massives Problem mit Schimmel und Schadnagern. Als unser Zeitgenosse wäre er blaß vor Neid geworden angesichts des Sortiments von lang haltbaren Konserven. Heute hat man wesentlich bessere Möglichkeiten vorzusorgen als in alttestamentarischen Zeiten, sowohl materiell als auch finanziell. Das nutzt unseren Politikern nichts. Der nächste Staatshaushalt ist auf der Ausgabenseite immer zu 105 % verplant. Im gleichen Atemzuge beschweren sich insbesondere Linke und Grüne über Wachstumsfetischismus.
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