Akteur*innen haben das Ruder in der Hand
Wenn man überhaupt nichts versteht, hat das seinen Grund. Die Ursache ist in der Regel, daß Unsinn gequasselt wird. „Philosophie ist der konsequente Mißbrauch einer eigens zu diesem Zwecke geschaffenen Terminologie“, schrieb Franz Oppenheimer über die verschwurbelte Frankfurter Schule, die das Copyright für das Prinzip des Nicht-Verstehens hat. Der zeitgemäße Unsinn versteckt sich am liebsten hinter einem Phrasenvorhang aus Anglismen, und zwar solchen, die man in England oder Amerika nicht kennt. Von der Finanzbranche und von Fondsverkäufern ist man diese lingua franca der Nebelwerfer gewöhnt. Ausgerechnet die Grüne Jugend, für welche Amerika der kapitalistische Satan ist, bedient sich der Sprache des konsumistischen Hauptfeindes geradezu exzessiv.
Vom 2. Bis 6. September fand in Leipzig eine Degrowth-Konferenz statt, auf der über Decroissance, Commons, Suffizienz, ShareEconomy, Peer-to-Peer-Production und natürlich Degrowth diskutiert wurde. Degrowth ist „eine Verringerung von Produktion und Konsum in den frühindustrialisierten Staaten, die menschliches Wohlergehen, die ökologischen Bedingungen und die Gleichheit auf diesem Planeten fördert. Ziel ist eine Gesellschaft, in der Menschen mit Rücksicht auf ökologische Grenzen in offenen, vernetzten und regional verankerten Ökonomien leben. Ressourcen werden durch neue Formen demokratischer Institutionen gleicher verteilt“. So wird das Konferenzthema von Jennifer Werthwein und Norma Tiedemann von der Grünen Jugend beschrieben. Kann man >hier nachlesen.
Eigentlich haben wir eine Schrumpfung des Konsums in Deutschland schon seit der Jahrtausendwende. Das Realeinkommen der Arbeiter, Unternehmer und Angestellten ist seither um etwa 14 % gefallen. Nur der Staat hat seine Aktivität und seine Ausgaben in diesem Zeitraum noch etwas ausgeweitet. In Griechenland und Italien sinkt die Produktion jedes Jahr deutlich. Warum brauchen wir also noch solch eine Schrumpf-Konferenz? „Your recession is not our degrowth!“ – „Euer Abschwung ist nicht unsere Schrumpfung“ antwortete die Konferenz. Wenn ein Grüner behauptet, er habe nichts mit Deindustrialisierung zu tun, dann ist das allerdings so als wenn ein Muslim behauptet, der Koran hätte nichts mit dem Islam zu tun.
Morgens wurde die Schrumpf-Tagung mit keynote-speeches begonnen, denn die Tagung sollte keine gewöhnliche Konferenz der Frontal-Inputs werden. Nachmittags waren dann open spaces angesagt, was immer das ist. Bitte nicht den Google-Übersetzer anwerfen, das ist Zeitverschwendung.
Die für das Weißbuch über Steuerverschwendung des Bundes der Steuerzahler prequalifizierten Professoren Hartmut Rosa und Stephan Lessenich aus Jena referierten höchst unterhaltsam über „Wie kommt das Wachstumsdenken in unsere Köpfe und wie bekommen wir es da wieder weg?“. Sie gingen auf das Konzept der Gouvernementalität und der Selbstführung ein, das darauf beruht, daß ein wirtschaftliches System nicht nur Güter und Dienstleistungen produziert, sondern ebenso die passenden Subjekte – so im Bericht über die Tagung. Da fallen uns sofort die wohlgenährten Windmüller und Photovoltaikteppichbesitzer ein, die vom umverteilenden Staat als Abfallprodukte des EEG massenhaft produziert werden.
Die Schrumpfwirtschaft ist sexuell aufgeladen, aber natürlich nicht hetero. Frederike Habermann – wie kann man nur so konsumistisch und sexistisch heißen? – fabulierte über den Zusammenhang von Queer und Degrowth, über den Umgang von Care- und Reproduktionsarbeit und über Commonsbasierte Peerproduktion. Bitte nicht fragen was das ist!
Die Grüne Jugend resumiert: „Allen gemeinsam war eine sehr kritische Haltung gegenüber der Idee, dass mit den Ergebnissen von Physik, Biochemie usw. Politik gemacht werden sollte, sprich: dass sich gesellschaftlicher Akteur*innen von Naturwissenschaften das Ruder aus der Hand nehmen lassen und eine bestimmte Vorgehens- und Verhaltensweise mit Zahlen diktieren, statt in einem kollektiven, demokratischen Prozess auszuhandeln welchen Problemen wir eigentlich genau gegenüber stehen und wie wir diese lösen wollen.“
Wir müssen also weiterhin mit der Diktatur von Dilettanten über Naturwissenschaftler rechnen. Bei der sogenannten Energiewende (Wärmedämmung und Flatterstrom), beim Seuchenschutz (Chlorhühnchen und Sprossensalat) und in der Geldpolitik (Solarfonds, Bürgerwindparks) ist das bereits der Fall. Deutschland wird zunehmend von grünen Chaoten regiert, am Nasenring geführt, bevormundet und terrorisiert.
2 Antworten auf “Akteur*innen haben das Ruder in der Hand”