Schule in Konkurrenz zu Lady Ray Bitch
Kann man mehr Bildung mit immer mehr Geld kaufen? Diese Frage bewegt unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten. Die Blockparteien und die staatsnahen Medien sind sich einig, daß mehr Geld für Kindergärten, Schulen und Unis mehr Bildung bewirkt. Das ist zu einem festen Glaubenssatz geworden und wer das auch nur in Zweifel zieht hat sich ins gesellschaftliche Abseits mänövriert. Aber ist die verfestigte Meinung, daß man mehr Bildung mit mehr Geld kaufen kann so eindimensional richtig?
Alle Zweifel an der entscheidenden finanziellen Basis der Schulbildung werden durch den Vergleich der Bundesländer erhärtet: Die Spitzenreiter der Pisa-Tests Bayern und Sachsen geben weniger Geld pro Schüler aus, als die bildungsfernen Bundesländer Berlin und Hamburg. Ganz sicher gibt es deutschlandweit keinen statistischen Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben pro Schüler und Testergebnissen. Aber das ist ja nur eine Momentaufnahme und die geldgeilen Bildungspolitiker werden einwenden, daß die Tests keine umfassende Aussagekraft haben. Nicht ganz von der Hand zu weisen sind diese Einwendungen.
Zunächst muß man sicher die Frage beantworten, was alles über den Bildungsgrad underer Mitmenschen entscheidet. Da sind die staatlichen Bildungseinrichtungen nur ein Baustein. Ebenso großen Einfluß haben die Elternhäuser und die Großelterngeneration. Nicht zu vernachlässigen sind die Einflüsse der Medien und der Kultur, insbesondere der Alltagskultur.
Das deutsche Bildungssystem hat bis zu den Reformen der siebziger Jahre relativ beständig produziert. In jeder Periode, egal ob im Kaiserreich, in der Weimarer Republik. im Dritten Reich, in der frühen Bundesrepublik oder im Stalinismus wurden auch Inhalte vermittelt, die durch das jeweilige Herrschaftssystem gefärbt waren, also skurril, falsch oder überflüssig waren. Es wurde aber in allen diesen Systemen ein harter Bildungskern von Rechtschreibung, Grammatik und Grundrechenarten an eine breite Bevölkerungsschicht vermittelt. Die kulturellen Einflüsse haben im Gegensatz zur Basisbildung immer wieder aprupt gewechselt.
Also ist eine Langzeitbetrachtung der kulturellen Kulisse eine gute Richtschnur. Eine Katastrophengeneration waren die Geburtsjahrgänge von 1885 bis 1915. Sie gingen etwa von 1890 bis ca. 1925 in die Schule. Aus dieser Alterskohorte gingen allein etwa 2 Mio. Nationalsozialisten hervor. Bereits um 1900 häuften sich die Schulabbrüche, Generationenkonflikte fanden Eingang in die Literatur und es herrschte großer Andrang vor den Pforten zur Boheme. Sicher gab es auch in diesem Zeitraum überforderte Lehrer und kauzige Professoren, wie uns das in der „Feuerzangenbowle“ vorgeführt wurde. Aber entscheidender für eine ausgeprägte Mißbildung war die die Zeit begleitende Kulturrevolution .
Zunächst kam nur das Bildungsbürgertum mit Nietzsche, Dekadenzliteratur und Jugendbewegung in Berührung. Nach 1900 auch mit Psychoanalyse, Erziehungs- und Ernährungskonzepten, Expressionismus sowie verschiedenen esoterischen, ariosophischen und theosphischen Gedankengebäuden. Insbesondere seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sickerte die antireligiöse, antikapitalistische, antisemitische, nationalistische und antimarxistische Propaganda in die mittleren und unteren Gesellschaftsschichten ein und verringerte die Distanz zum Obskurantismus und Nationalsozialismus permanent. Die Umwertung aller Werte endete in der bedingungslosen Kapitulation 1945.
Der Grundschule und der Sekundarschule kann man dafür nicht die Verantwortung zuweisen. Ähnlich verlief die Geschichte um 1968. Ein relativ normales Schulsystem spuckte massenhaft Anhänger von Pol Pot, Mao, Enver Hoxha und Che Guevara aus. So könnte es ein verirrter Historiker beschreiben. Es war aber nicht so. Die Verführten von linken Diktatoren und Massenmördern waren nicht in die Mühlen von Lehrern, sondern von Schriftstellern, Redakteuren und Philosophen der Frankfurter Schule geraten. Der SPIEGEL, das Fernsehen ARD und die Gruppe 47 kratzten jahrelang erfolgreich am fragilen Lack des Wirtschaftswunders. Um 1965 war es soweit. Gleichzeitig erstanden der linke und der rechte Rand der Lebensreform von den Toten wieder auf. Der SDS mobilisierte einen hohen Prozentsatz von Studenten, gleichzeitig erreichte die NPD bis 10 % der Wähler.
Spiegelbildlich verlief die Entwicklung im Osten. Das Bildungssystem hatte jahrzehntelang am allseits gebildeten sozialistischen Menschen gewerkelt und ausgerechnet die Jugend belagerte 1989 die Botschaften in Prag, Warschau und Budapest. Auch hier hatte die staatliche Bildung nicht das geliefert, was sich die Initiatoren erhofft hatten und die Menschen folgten kulturellen Signalen, in diesem Fall aus dem Westen.
Die Jugendkultur ist immer differenzierter und medial präsenter geworden, so daß die Schule heute wieder sehr in ihrem Schatten steht. Die Lehrer können machen was sie wollen, gegen Deso Dog, Bushido, Samy Deluxe, Berlins Most Wanted und Lady Bitch Ray kommen sie nicht an. Die Schule steht in Konkurrenz zu den Idealen der Schwarzen Szene, der Raver, Hooligans, Skinheads, Punker und Emos. Viele Lehrer flüchten sich in Anbiederung. Andere lassen sich mit 40 pensionieren.
Eine Verbesserung der Bildung erfordert keine steigenden Bildungsetats, sondern ein Umsteuern bei der Kulturförderung und in der Kulturpolitik. Wenn fragliche Inhalte nicht mehr künstlich mit viel Fördergeld aufgeblasen werden, wird sich das schulische Umfeld schneller verbessern als manche Skeptiker es glauben. Bushido darf keinen Bambi mehr bekommen, Lady Bitch Ray sollte im öffentlich lizensierten Fernsehen keine Gelegenheit mehr erhalten Dosen mit „Fotzensekret“ zu verschenken und für Rosa von Praunheim sollte wegen eines ähnlichen Flüssigkeitsbehälters der Zugang zu den Medien verweigert werden. Die Feuchtgebiete brauchen keine Filmförderung. Das waren sicher alles widerlichste Fehlleistungen der Medien, sie dürfen sich nicht wiederholen.