Liebe ohne Nannystaat

Ein glückliches Paar lächelt uns entgegen. Wir lesen nicht die Anzeige einer Partnervermittlung sondern sind auf der website „ehe-scheidung- 24.de“. Eine billige geschwinde Scheidung per Internet von zu Hause aus rund um die Uhr wird uns verhießen und die beiden Ex auf dem Foto wirken überglücklich. Endlich Ferien alleine!

Die Einmischung des Staates in die Ehe datiert in Deutschland von 1876. Durch den preußischen Kultusminister Falk wurde verboten ohne eine standesamtliche Eintragung zu heiraten. 2008 wurde diese Bestimmung aufgehoben. Man kann jetzt wieder nichtstaatlich heiraten. Das wird auch zunehmend praktiziert, vornehmlich in morgenländischen Kreisen.

Freibrief für Ehebrecher

Seit 1976 wurde am Eherecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs herumgebastelt. Das Schuldprinzip bei der Scheidung wurde damals abgeschafft. Es entstand ein Freibrief für EhebrecherInnen aus einer Scheidung das Maximum an finanziellen Vorteilen herauszuholen. Das alte und ehrwürdige Institut der staatlichen Ehe nahm in den folgenden Jahrzehnten Schaden, immer weniger junge Leute gingen eine offizielle Ehe ein. 1976 wurden 510.000 Ehen geschlossen, 2007 noch 368.000, bis 2012 hat sich die Zahl auf 387.000 wieder leicht erhöht. Je 1000 Einwohner waren das 1977 6,7 Eheschließungen, 2007 waren es 4,5 und 2012 4,7. Aber auch wenn man die Zahl der Eheschließungen auf die Zahl der Einwohner bezieht bleibt es Statistik. Die aktuellen Photos im Standesamt zeigen viele Pärchen vom zweiten Frischegrad. Es sind inzwischen viele Zweit-, Dritt- und Viertheiraten von 40-, 50- und 60jährigen dabei. Kurz, es erschien vielen jungen Paaren sicherer, in der wilden Ehe (in der Schweiz im Konkubinat) zu leben. Da weiß man, was man (nicht) hat. Was den Unterhalt von gemeinsamen Kindern betrifft, ist der Glaube an konsequenzloses Handeln natürlich naiv.

Reform des Unterhaltsrechts

Der Berliner Zentralstaat hat wegen des offensichtlichen Mißerfolgs der sozialliberalen Ehereform von 1976 im Jahr 2008 eine Reform des Unterhaltsrechts nachgeschoben. Das ist der Masse der Heiratswilligen bis heute unbekannt geblieben. Die Unterhaltsbedingungen wurden neu geordnet und das Los der betrogenen Expartner etwas gemildert. Bis diese Milderung im Einzelfall eintritt, können allerdings beim Klageweg durch die Justizinstanzen Jahre ins Land gehen, zumal die Beweisführung in intimen Sachen immer auf wacklichen Beinchen steht.

Angst um das Steueraufkommen

Die Berliner schwarz-rote Administration hat die Reform von 2008 vermutlich nicht beschlossen um die Ehe als solche zu retten, sondern hat darauf reagiert, daß immer mehr geschiedene unterhaltsleistende Partner  abtauchen, um Unterhaltsleistungen zu umgehen. Das ist für den Fiskus ein schlechtes Geschäft, da es den Totalverlust an gezahlter Lohn- und Einkommenssteuer sowie an Umsatzsteuer nach sich zieht und zusätzlich oft noch Unterhaltsvorschüsse gezahlt werden müssen. Diese sind zwar eigentlich nur Vorschüsse, müssen also vom Unterhaltspflichtigen eingefordert werden, wenn dieser zum Zahlen in der Lage ist. Tatsächlich kann der Staat ganze 20 % dieser Vorschüsse eintreiben, weil die Unterhaltspflichtigen ins Ausland oder auf den Schwarzmarkt abtauchen bzw. dauerhaft nicht in der Lage sind zu zahlen. Auch die Sozialbeiträge der Unterhaltsverweigerer gehen den Sozialkassen verloren und im Alter sind das Kandidaten für soziale Auffangnetze außerhalb des Rentensystems. Es war Zeit etwas zu tun, um Ansprüche des Fiskus zu retten.

An der Heiratsunwilligkeit hat die Reform von 2008 nichts geändert. Auch eine Rückkehr zum Schuldprinzip bei der Ehescheidung würde vermutlich wenig bringen, da die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland vorangeschritten ist. Mit einer moslemischen Ehe beispielsweise ist weder das alte Schuldprinzip noch die Regelung von 2008 vereinbar. Nach der Scharia reicht es, wenn der Ehemann sich unter zwei Zeugen dreimal von seiner Ehefrau lossagt. Ein staatliches Gericht ist bei diesem Rechtsinstitut nicht vorgesehen. Da die Kinder nach der Scheidung dem Mann gehören entfällt der Unterhalt. Wenn die Sache vor einem deutschen Gericht landet, verschwinden die Kinder häufig im Ausland.

Steuerliche Vorteile zu gering

Aber zurück zu deutschen Ehepartnern. Unter steuerlichen Aspekten bringt die staatliche Ehe nur dann Vorteile, wenn die Ehepartner unterschiedlich hohe Einkommen haben. Dann gibt es das sogenannte Ehegattensplitting, das heißt die Ehegatten werden bei der Lohn- und Einkommenssteuer gemeinsam veranlagt.  Da immer mehr Liebespaare gleiche oder nahezu gleiche Einkommen haben, wird der steuerliche Anreiz zum Eingehen der Staatsehe jedoch immer geringer.
Wenn beide Eheleute je ein Einkommen von  4.000 € haben ist die Steuerersparnis gegenüber dem  Leben in der wilden Ehe Null. Wenn dagegen die Frau 8.000 € verdient und der Mann nichts, gibt es einen Vorteil. Als Alleinverdienerin würde die Frau monatlich 2.478 € in der Steuerklasse I versteuern, verheiratet sind es in der Steuerklasse III 1.790€. Unterschied 688 € monatlich. Im Falle einer Scheidung hätte die Frau allerdings die Peterkarte. Ihr Partner würde Unterhaltsrechte geltend machen.  Wenn die Partner nur geringe Einkommensunterschiede haben, sind auch die steuerlichen Vorteile der Ehe unerheblich. Beispiel: Wenn ein Partner 3.000 € verdient und einer 4.000 €, so spart man durch den staatlichen Trauschein ganze 139 € monatlich. Da muß man lange Steuern sparen, bis man die Kosten der Hochzeit wieder rausgewirtschaftet hat!

Rechtliche Falle für Selbständige

Selbständige sollten sich eine staatliche Ehe dreimal überlegen. Geht man außer im Schlafgemach und im Familienleben getrennte Wege kann man mit zwei Kleinbetrieben, die je einem Ehepartner gehören,  viele Vorteile genießen, die man nicht hätte, wenn diese Betriebe aus dem Blickwinkel einer ehelichen Gemeinschaft zusammen betrachtet würden. Das betrifft die Kosten des Kündigungsschutzes, die Kosten für einen Betriebsrat, für die Schwerbeschädigtenabgabe, den Mutterschutz und anderes. In einer Ehegemeinschaft besteht für zwei Betriebe der Ehepartner auch die prinzipielle Gefahr der Konzernhaftung, wenn diese Betriebe in der gleichen Branche arbeiten und gelegentlich kooperieren. Für Selbständige gilt in der Regel die taktische Maxime des Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke (1800 bis 1891) aus den Deutschen Kriegen: „Getrennt marschieren, vereint schlagen“.

Nur Protestanten glauben an den Staat

Wer auf eine Hochzeitsfeier nicht verzichten möchte, das Standesamt aber umgehen will, der ist in der katholischen Kirche und bei den islamischen Glaubensgemeinschaften gut aufgehoben. Bei Katholiken ist bei Ehe ohne Standesamt eine Genehmigung des Bischofs erforderlich. Bei Moslems gibt es gar keine Umstände. Die Protestanten glauben nicht an Gott, sondern an den Staat. Bei denen geht ohne Standesamt nichts.

Ehe privatisieren

Die Reform von 2008 resultiert aus dem Scheitern vorheriger Lösungsansätze und geht in die richtige Richtung. In einer immer stärker multireligiösen Gesellschaft muß die Ehe notwendig privatisiert oder auf die Religionsgemeinschaften bezogen werden. Es paßt kein gemeinsames staatliches Dach über stark divergierende Überzeugungen und Traditionen. In einigen anderen Ländern hat man das längst realisiert und ein einheitliches Eherecht aufgegeben. Deutschland hat durch das Institut der wilden Ehe belastbare Langzeiterfahrungen. Es zeigt sich, daß das Konkubinat in der Regel genauso lange hält, als eine Ehe. Beide Formen des Zusammenlebens bergen keine Garantie für ein lebenslanges Verständnis füreinander. Über die Dauer der Bindung entscheidet eben nicht die ursprüngliche Absicht, auch nicht der Glanz der Hochzeit, sondern das tägliche Management der Beziehung.

Egal ob standesamtlich verheiratet oder in wilder Ehe. Die Ansprüche an den Partner ändern sich ständig: Mario Adorf hatte den Erfolg der Gemeinschaft noch so auf den Punkt gebracht: „Ein erfolgreicher Mann ist ein Mann, der mehr verdient, als seine Frau ausgeben kann. Eine erfolgreiche Frau ist eine, die so einen Mann findet.“ In der jüngeren Generation ist es manchmal umgekehrt. Da trifft man als Mann auf eine schöne Beamtin oder man sieht den Jungbäuerinnenkalender durch. Denn Liebe und Schönheit vergehen, Pension und Hektar bestehen…