Adolf Hitler als Handlanger von Ofenbauern
In der Weimarischen Straße in Erfurt weist ein braunes Schild auf den „Erinnerungsort Topf und Söhne“ hin. Der Vorgängerbetrieb des „VEB Mälzerei- und Speicherbau“ hieß so. Hier wurden neben Brauereimaschinen Öfen hergestellt, in der Endphase des Nationalsozialismus Krematoriumsöfen für Auschwitz. Daran in einem Museum zu erinnern ist lehrreich, insbesondere wenn gleichzeitig auch darauf hingewiesen wird, wo in Erfurt die NSDAP ihren Sitz hatte, wo die Thüringer Allgemeine Zeitung zu finden war (ab 1944 Thüringer Gauzeitung) und die Staatspolizeistelle. Das sind nämlich auch Erfurter Erinnerungsorte. An die niemand erinnert werden will.
Das Personal der Firma „Topf und Söhne“ wird zutreffenderweise dafür verantwortlich gemacht, die Verbrennungsöfen hergestellt zu haben. Auf der Internetseite zum Erinnerungsort heißt es: „1939: Ludwig und Ernst Wolfgang Topf, Geschäftsführer und Firmeninhaber in dritter Familiengeneration, beginnen damit, die SS mit speziell für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert werden sie von dem Ingenieur Kurt Prüfer.“
Es ist immer die gleiche Geschichte: Die Unwahrheit besteht nicht in einer zutreffenden Behauptung, sondern in der Weglassung wichtiger Fakten. Erstens: Die Regierungspartei konnte keine Juden leiden. Zweitens: Die Parteipresse erzeugte die zugehörige Progromstimmung und beeinflußte die Meinung. Drittens: Partei und SS betrieben Konzentrationslager, in denen Leute umkamen. Viertens: Die SS hat Öfen bestellt, um die Leichen zu beseitigen. Fünftens: Der zuständige Wirtschaftsverband hat die Firma beauflagt und das Material zugewiesen. Sechstens: Topf und Söhne hat konstruiert, gebaut und geliefert.
Die Regierungspartei hatte nämlich bereits 1934 klargestellt, wer Herr im Hause ist. Nach dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 war der Betriebsführer der Unternehmer, der Inhaber oder Geschäftsführer eines Industrie- und Handwerksbetriebs oder auch ein Landwirt. Der Betriebsführer war gegenüber den Arbeitern und Angestellten, der sogenannten Gefolgschaft, weisungsbefugt, musste sich jedoch dem von der Partei eingesetzten „Treuhänder der Arbeit“ gegenüber verantworten, der Befehlsgewalt hatte. Nach § 38 konnte ein Betriebsführer auch durch ein „Ehrengericht“ abgesetzt werden. Ab 1938 durften Juden nicht mehr Betriebsführer sein.
Einen Monat später am 27. Februar 1934 wurde das Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft beschlossen. „Der Reichswirtschaftsminister wird zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft ermächtigt,
1. Wirtschaftsverbände als alleinige Vertretung ihres Wirtschaftszweiges anzuerkennen;
2. Wirtschaftsverbände zu errichten, aufzulösen oder miteinander zu vereinigen;
3. Satzungen und Gesellschaftsverträge von Wirtschaftsverbänden zu ändern und zu ergänzen, insbesondere den Führergrundsatz einzuführen;
4. die Führer von Wirtschaftsverbänden zu bestellen und abzuberufen;
5. Unternehmer und Unternehmungen an Wirtschaftsverbände anzuschließen.
Wirtschaftsverbände sind solche Verbände und Vereinigungen von Verbänden, denen die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange von Unternehmern und Unternehmungen obliegt.“
Das System der staatlich agierenden Wirtschaftsverbände, das wegen seiner Abstinenz von individuellen Unternehmerentscheidungen strukturell an die mittelalterlichen Zünfte erinnert, wurde im Ersten Weltkrieg aus kriegswirtschaftlichen Motiven zur Bewirtschaftung aller rüstungs- und ernährungsrelevanten Ressourcen etabliert, unter dem Deckmäntelchen der „Sozialisierung“ durch die Weimarer Zeit gerettet und nach 1934 gestärkt und gefestigt. Intention war es die begrenzten Rohstoff- und Arbeitsressourcen des Reiches für die Kriegsvorbereitung und Kriegführung sowie für quasireligiöse Zwecke zu focussieren und zu bewirtschaften.
Es ist in diesem System unmöglich, daß die Firma Topf und Söhne selbst über ihr Produktionsprofil bestimmen konnte, schon gar nicht nach Kriegsausbruch. Die Rohstoffzuteilung und die Weisung über die herzustellenden Erzeugnisse erfolgte durch den übergeordneten Wirtschaftsverband, der von der Partei gesteuert wurde. Diese ausgeblendete und heute weitgehend unbekannte Geschichte ist die Geschichte der Plan- und Befehlswirtschaft. Noch in den achtziger Jahren konnte kein Betriebsleiter des Mälzerei- und Speicherbaus über die Produktpalette bestimmen. Lediglich die Regierungspartei hatte seit den 40er Jahren gewechselt. Die Aufträge kamen über die Zentrale Plankommission, die Bezirksplankommision oder die Kreisplankommission, die Materialzuteilungen ebenfalls. Und die Personalbereitstellung erfolgte über den Stadtrat für Arbeit. Dieses System war bereits im Ersten Weltkrieg etabliert worden und funktionierte in den 30er und 40er Jahren grundsätzlich genauso.
Natürlich ist es nicht der Traumjob, wenn Ingenieure Verbrennungsöfen für den Massenbetrieb optimieren sollen und Arbeiter diese Öfen herstellen. Davor soll man warnen. Aber es wird immer wieder Leute geben, die nach staatlichen oder Parteivorgaben irgendetwas anrüchiges oder gemeines tun werden. Warnungen werden mit der Begründung, daß sich so etwas nicht wiederholen kann und heute alles ganz anders ist, in den Wind geschlagen. Es waren die Dopingmittelhersteller, die nach den Vorgaben der SED aus Sportlerinnen Männer gemacht haben und es sind heute Dämmstoffhersteller, Energieberater und PV-Anlagenbauer, die bedenkenlos die Befehle der politischen Führung umsetzen, ohne sich Gedanken über die einschneidenden technischen und sozialen Auswirkungen ihrer Arbeit zu machen. Der Autor diese Beitrags hat übrigens früher Energieausweise aufgestellt, nicht ohne zu wissen, daß das Hokuspokus ist. Man ist schneller in ein System verstrickt als man denkt…
Im Erinnerungsort werden die Machtverhältnisse zwischen der Partei und dem Ofenbauer verdreht dargestellt. Die Weglassung der Befehlskette von der Partei über den Wirtschaftsverband zur Firma hat einen Grund: Durch die Köpfe der Antifa geistert immer noch der Faschismus als Variante des krisenhaften Kapitalismus, in dem die Faschisten lediglich Marionetten der Kapitalisten sind. Bereits in 40 Jahren DDR wurde diese abstruse These in die Köpfe gehämmert. Nach dieser Theorie instrumentalisierten die Topf-Brothers die NSDAP-Führung, um Profite mit ihren Öfen zu machen. Hitler als Angestellter oder gar als Agent der Töpfe. Auschwitz wird so zur Folge der Optimierung des Ofenvertriebs und somit zu einem Witz. Das Verrückte daran ist allerdings, daß dieser Irrsinn von der Allmacht eines Nischenproduzenten in der Brauerei- und Ofenbranche geglaubt wird.
Der Erinnerungsort hat insofern einen faden Beigeschmack, als die Verantwortung für den Massenmord nicht den Politikern, Ideologen und Medienzaren zugeordnet wird, sondern wie üblich dem gewerblich-technischen Bereich, der in Deutschland traditionell der Prügelknabe ist. Die Erfurter Stadtregierung sollte den Erinnerungsort durch weitere Erinnerungsorte in den Gebäuden der Partei und der damaligen Medien ergänzen. Man kann Oberbürgermeister Bausewein ein bißchen helfen. Die Kreisleitung Erfurt-Stadt befand sich zum Beispiel in der Schillerstraße…