Wenn eine Eigenschaft das Christentum durch die Jahrhunderte seiner Existenz begleitet hat, dann ist es die Lustfeindlichkeit. Was Spaß macht, ist gottlos, es sei denn, es dient der Fortpflanzung. Aufbauend auf dieser kulturellen Prägung sind die Grünen nahtlos an die Stelle altmodisch gewordener Heilsversprechungen getreten. Autofahren, Süßigkeiten, Rauchen im Biergarten und Ponykarussells auf Jahrmärkten – es gibt kaum ein Verbot, das Grünenpolitikern nicht einfiele, um unser Leben im Interesse der von ihnen definierten „gerechten Sache“ zwar ärmer, aber dafür noch gerechter zu machen. Es soll allerdings nicht geleugnet werden, dass Konrad Kustos mit einigen dieser Verbotsbestrebungen durchaus sympathisiert, beispielsweise hinsichtlich verkaufsoffener Sonntage und der Umweltverschmutzung durch unentgeltlich ausgegebene Plastiktüten. Und manchmal versuchen sich die Grünen sogar an konstruktiven Vorschlägen – doch wie unsicher man auf dieser terra incognita agiert, zeigt das Beispiel des Europa-Grünen Michael Cramer, der die Güterversorgung von Großstädten jetzt auf Lasträder umstellen will. Oder ist alles genau so beabsichtigt…?
Der EU-Abgeordnete glaubt tatsächlich, gestützt von einer (vermutlich von ihm beauftragten und von der EU bezahlten) Verkehrsstudie, jeden zweiten Berliner Lieferwagen durch Lastkrafträder ersetzen zu können. Leiser, gesünder und vor allem klimafreundlicher würde die Stadt dadurch werden. Alle Transporte, die weniger als 200 Kilo wiegen, selbst Matratzen, könnten mit batterieunterstützten Fahrrädern transportiert werden. Ein in Kreuzberg schon in diesem Zukunftsmarkt tätiger Unternehmer schwärmt flankierend: „Kein Stau, keine Parkplatzsuche, keine Spritkosten. Was wir dadurch sparen, geben wir für das Fahrergehalt aus.“
Allerdings kann man mit einer einfachen Überschlagsrechnung erkennen, dass angesichts des immensen Transportvolumens in der Stadt die Umverteilung auf Fahrräder zu einem kompletten Zusammenbruch sowohl des motorisierten als auch des pedalisierten Verkehrs führen würde. Fahrräder, erst recht schwer beladen, verbrauchen gemessen an der transportierten Last ein Vielfaches an Verkehrsfläche. So viel, dass selbst die großzügigen Berliner Straßenprofile dafür niemals ausreichen könnten. Erst recht nicht, wenn auch die Verweilzeit des Verkehrsmittels aufgrund der geringeren Geschwindigkeit in Zehnerpotenzen steigen würde.
Für den zitierten stolzen Unternehmer rechnet sich das also nur bisher als Trittbrettfahrer einer noch relativ stabilen Verkehrssituation. Doch jedes zusätzliche Lastkraftrad würde die restlichen 50% des Lieferverkehrs mit Gepäck über Matratzengröße oder zur Belieferung des Einzelhandels genauso wie den normalen Verkehr und andere Lastkrafträder mehr behindern – bis zum kompletten Stillstand.
Von dem Zeitverlust bei nicht lokalen Lieferungen und dem Sicherheitsrisiko für Fahrer und Gepäck ist da noch keine Rede. Hinzu kommt: Wenn jetzt ein Lkw 200 Pakete mit einer Fahrt in einzelne Haushalte transportiert, fiele dann für fast jedes Paket ein eigener Fahrweg an. Man stelle sich nur die Transportbewegungen der DHL vor, wenn sie alle Millionen Pakete einzeln mit Fahrrädern ausführte…
Aber es gibt auch noch eine andere, viel wichtigere Komponente. Derartige Pläne gehen von einer gewollten Verringerung der Maschinenleistung und einer Zunahme körperlicher menschlicher Arbeit aus, d.h., das Rad der Geschichte soll zurückgedreht werden. Dieselben Leute, die die Belastung von im Kreis laufenden Ponys für unmenschlich und nicht artgerecht halten, haben keine Probleme damit, gewerbliche Radfahrer einer unnötigen und erniedrigenden Tätigkeit auszusetzen.
Ist an den Grünen oder wenigstens an Herrn Cramer bei der Erfindung des (Last-)Rades der nun schon jahrzehntelang bekannte und genutzte Stand der Industrialisierung und des technischen Fortschritts und die dadurch gelungene Humanisierung der Arbeitswelt vorbeigegangen? Rechtfertigen unbestritten drängende Umweltprobleme das Zurückkehren zu unproduktiven, archaischen Wirtschaftsweisen? Sollen die Äcker demnächst wieder von Hand gepflügt werden, und wenn ja, dürfen dafür überhaupt Zugtiere eingesetzt werden?
Cramer, der früher für die Alternative Liste im Berliner Abgeordnetenhaus Pullover strikte, plant nicht von ungefähr diese reaktionäre Variante von „Zurück zur Natur“ mittlerweile aus Brüssel. Er nutzt die Politik der Globalisierer, die immer mehr billige Arbeitskräfte zum Senken der Lohnkosten nach Deutschland importieren wollen, um hier zu kostengünstigen Zuständen des Rikschafahrens und Lastkarrenziehens zurückkehren zu können.
So stellt sich die angeblich humane Migrationspolitik der Grünen plötzlich in einem ganz anderen Licht dar. Eine solche Wiedergewinnung menschlicher Arbeitskraft durch sklaverei-ähnliche Beschäftigung wäre zutiefst menschenfeindlich. Es degradiert den Menschen des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu einer biologischen Maschine. Es steht für Ausbeutung, Selbstausbeutung und Verlust an Menschenwürde. Wirklich erschütternd aber ist, dass solche Vorschläge inzwischen im Sinne der neuen Ideologie ökologischer Selbstkasteiung derart dreist ohne Scham und Zweifel geäußert werden. Die Menschen mögen dem eine artgerecht unartige Antwort geben.
2 Antworten auf “Konrad Kustos: Menschenkraftwagen statt Lkw´s”