Überraschungseier beim Energiesparen
Seit 2004 wurde die Wärmeschutzverordnung immer wieder verschärft. Das hat einige skurrile Folgen, die die Energiepäpste nicht auf der Rechnung hatten. Die Älteren werden sich kaum erinnern, daß es vor 2004 Probleme mit gefrorenen Fallrohren gab. Die Dämmpakete an den Wänden bewirken aber folgendes:
Die Sonne kann die Außenwände nicht mehr erwärmen, die Tagtemperaturen der Außenluft dringen kaum noch in die Wand ein. Eine nächtliche Abstrahlung der Wand in Richtung Dachrinne findet nicht mehr statt. Die Dämmungen verringern auch den Wärmedurchgang von den geheizten Innenoberflächen der Räumlichkeiten zur Außenoberfläche der Außenwand. Auch dadurch wird die Abstrahlung von Wärme zur Dachrinne vermindert.
Dachrinnen und insbesondere Fallrohre sind kälter als früher. Sie vereisen bei Frost-Tauwechseln. Das dumme ist, daß die Dachflächen schneller abtauen, als die Fallrohre. Die Rinnen laufen über und durchfeuchten in vielen Fällen Wände und Dämmpakete in schwach geneigten Dächern. Der Schaden ist oft hoch.
Das Einfrieren von Dachrinnen kann man verhindern, indem man eine Begleitheizung für Rinnen und Fallrohre installiert. Die Leistung beträgt in der Regel 18 bis 36 W pro Meter. Je tiefer die Temperatur desto höher wird die erforderliche Leistung. Temperaturabhängig geschaltet wird das Ganze mit einem Thermostat.
Der Meter Rohrheizung kostet im Mittel 8 Euro, ein Thermostat 50 Euro und der elektrische Anschluß noch einmal 150 Euro. Man sollte darauf achten, nicht mit Außensteckdosen zu arbeiten, um Einbrechern keinen Strom für ihr Verbrecherwerkzeug bereitzustellen.
Für ein Haus mit einer Grundfläche von 8 x 10 m und einer Traufhöhe von 4,5 m entstehen also geschätzte Herstellungskosten von:
Heizkabel oder Heizband 54 m x 8 € = 432,-
Thermostat und elektrischer Anschluß € 200,-
Zusammen € 632,-
Stromkosten bei 50 Frosttagen pro Jahr 27 W x 54 m x 65 Tage x 12 Stunden x 0,30 € /1000 = € 341,-
Damit ist ein Teil der Einsparung von Heizenergie, die man mit Wärmedämmung erzielen kann, schon wieder verpufft. In unserem Beispiel etwa 1.140 kWh. Das ist etwa ein Zehntel der Heizenergie eines Einfamilienhauses.
Nicht unterschätzen darf man auch den Energieverlust, der auf Sonnenseiten des Gebäudes entsteht, wenn die Wärme wegen der Wärmedämmung nicht mehr in das Gebäude eindringen kann. Es handelt sich bei trübem Wetter um etwa 100 W / qm.
Bei einer Südwand von 8 m Breite und 6 m Höhe sind das 4.800 W. Wenn die Sonne scheint, natürlich noch mehr. Im jährlichen Mittel rechnet man 1.000 kWh Globalstrahlung pro Quadratmeter auf einer senkrechten Südfassade. Pro Jahr gehen also auf der Südwand unseres Beispielhauses durch Wärmedämmung ungefähr 48.000 kWh verloren. Natürlich treten auf den anderen Hausseiten auch Verluste an Globalstrahlung auf. Selbst im Monat Januar kommen 50 kWh Globalstrahlung pro Quadratmeter zusammen, also 2.400 kWh für unser Beispiel. Zugegeben: Im Juli und August will man kostenlose Wärme am liebsten nicht haben. Aber im Rest des Jahres schon.
Nicht die ganze Globalstrahlung, die auf eine konventionelle Wand trifft, ist als Raumwärme nutzbar. Der große Teil wird wieder nach außen abgestrahlt. Das ist eben der Grund warum Dachrinnen früher nicht eingefroren sind. Und warum es früher keine Schimmel- und Eisbildung an Nordfassaden gegeben hat. Wenn die konventionelle Wand mehr Globalstrahlung erwischt, verringert sich der Temperaturunterschied zwischen Innen- und Außenseite der Wand und der Wärmeverlust des Gebäudes wird geringer. Denn je geringer der Temperaturunterschid zwischen Innen- und Außenoberfläche der Wand, desto geringer der Energiefluß in der Wand. Wenn mit Wärmebildkameras Wärmebrücken sichtbar gemacht werden, hat man bei konventionellen Wandaufbauten auch immer die Abstrahlung der tagsüber aufgenommenen Globalstrahlung mit drauf.
Die Wegsperrung der Globalstrahlung durch Wärmedämmung erklärt zum Teil, warum die rechnerischen Ergebnisse der Wärmeschutznachweise durchweg weniger Heizenergie ausweisen als praktisch verbraucht wird. Inkonsequenterweise werden die Fensterflächen in die Wärmeschutzberechnungen eingegeben, die Wandflächen aber nicht. Die werden einfach weggelassen, um eine hohe Wirkung der Dämmschichten als Ergebnis der Berechnungen zu bekommen. Verrückte Physik…
Aber nicht nur die Geheimnisse der Wärmedämmung bieten Überraschungen. Auch die Luftdichtigkeit der modernen Bauweisen hat ihren Unterhaltungswert. Beim Brand eines Passivhauses kommt es durch die Hitzeentwicklung zu einer Druckerhöhung im Gebäude. Dieser Druck kann sich in Passivhäusern aufbauen, weil sie luftdicht hergestellt werden müssen. Bei einem Brand in Frankfurt waren die Wohnungstür und die Balkontür, beide nach innen öffnend, unverschlossen. Der Innendruck war so hoch, daß die Türen sich durch einen erwachsenen Mann nicht öffnen ließen. Wenn die Fensterscheiben endlich platzen und der Druck entweichen kann, sind die Bewohner bereits geröstet worden. Der Betroffene stellt jetzt immer einen Wasserkasten in die geöffnete Balkontür…
Und dann gibt es noch das Thema Kochen im Passivhaus. Ein Gasherd ist eher schwierig, da er viel Zuluft benötigt. Bleibt das Elektrokochfeld. Das muß aber entlüftet werden. Die Ablufthaube mit Fortluft über Dach geht wieder nicht, weil zuviel Wärme entweichen würde. Außerdem bräuchte es ja wieder einen Zuluftausgleich. Es muß eine Umlufthaube mit Fettfilter her. Letzterer verlangt ständige Auswechslung. Trotzdem verfettet das Rohrsystem mit der Zeit und durch die Fettschichten entsteht die Gefahr von Brandentstehung und Brandausbreitung. Zumindest entsteht in den Lüftungsrohren keine Korrosion. Beim Trabantunterboden nannte man das Hohlraumkonservierung.
Daß man Häuser mit Photovoltaik nicht mehr ohne weiteres löschen kann, wenn es brennt, das weiß inzwischen jeder Bauherr. Da hat auch niemand dran gedacht, bis ein Haus mit Photovoltaik das erste mal gebrannt hat.
In den letzten Jahren hat sich die Baubranche von der jahrhundertealten Bautradition vollständig verabschiedet. Alles wurde auf einmal umgestoßen. Daß bei so einer radikalen Revolution im Hausbau auch Überraschungen entstehen, war zu erwarten. Ich habe hier einige Wirkungen gezeigt, die sofort offenkundig geworden sind. Auf die Langzeitwirkungen der neuen Bauweisen darf man gespannt sein…
Jeder sollte auch bei den Fenstern darauf achten, dass sie nicht viel Wärme hinauslassen. Das erzeugt höhere Energiekosten und das nicht zu knapp. Es gibt auch Anbieter, die sich speziell darauf konzentriert haben, Fenster mit effizienter Dämmung zu bauen wie der hier. Dasselbe gilt natürlich auch für Haustüren und das Dach.