Revolutionstourismus in der dritten Welt und die Folgen
Wegen ihres engagierten Eintretens für türkische Belange hat Frau Roth in der Bloggerszene den Spitznamen Fatima. Nun war sie gar als Revolutionstouristin in Istanbul. Was bringts für die türkischen Demonstranten und was bringts für die Grünen?
In der Qualitätspresse wurde teilweise der Eindruck erweckt, es handle sich in der Türkei um eine grüne Protestbewegung gegen die regierende Staatspartei AKP. Wenn man allerdings genauer nachliest, erweist sich die Protestbewegung als heterogener. Da sind zunächst einmal die versprengten Kemalisten, die von der AKP seit Jahren drangsaliert werden. Der Kemalismus war übrigens ein orientalischer Ableger der deutschen Jugendbewegung. Die Offiziere dieser Bewegung nannten sich entsprechend Jungtürken. Kemal Atatürk wollte nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die Türkei nach europäischen Mustern modernisieren. Diese Muster waren aber entsprechend den Gebetsbüchern der 20er und dreißiger Jahre antidemokratisch, antireligiös und etatistisch. Ist das wirklich die Alternative zu Erdogan? Dann gibt’s in der Bosporos-Metropole viele Aleviten, die mitdemonstrieren. Es ist eine religiöse Strömung, die uns von den Medien als aufgeklärt und abgeklärt verkauft wird. Wenn das so ist, warum werden dann die regierenden Aleviten in Syrien um Präsident Assad verteufelt und von denselben Medien und Politikern heftig bekämpft? Eben weil im Nahen Osten alles nicht so einfach ist. Sind die Aleviten wirklich eine Alternative zu Erdogan? Weiter demonstrieren kommunistische Gruppen und Kleingewerkschaften mit. Sind die eine Alternative? Und wie bei jeder Unruhe sind natürlich tausende Idealisten und Spinner dabei. Für Frau Roth und Herrn Özdemir ist die Teilnahme an den Demonstrationen eine kleine Abwechslung vom politischen Eintopf, eine spannende Wochenendrevolution. Mit etwas Glück kriegt man medienwirksam eine Wolke Tränengas ab und wird zur Heldin. Nach ein paar Tagen fliegt man wieder nach Hause und läßt die Eingebornen mit ihren Problemen zurück. Diese sind mannigfaltig. Es kann ein Aufenthalt im Zuchthaus sein, oder eine Verprügelung oder was die levantinische Politik alles sonst für Pfeile im Köcher hat.
Der Afghanistan-Feldzug der außenpolitischen Warmduscher Schröder und Fischer war auch so ein Abenteuer, bei dem die Mitläufer rotgrüner Politik geschädigt werden. Gedacht war das als eine Art Umerziehungs- und Entwicklungscamp für die in der Demokratie unerfahrenen Afghanen. Mit Brunnenbohren, Zähne ziehen, Schulen bauen, Korrumpierung von Häuptlingen und anderen zivilisatorischen Verlockungen sollten die Afghanen auf westliche Linie gebracht werden. Die Bundeswehr ist so grandios gescheitert wie schon vorher Engländer und Russen, obwohl sie viel friedlichere Absichten hatte. Nach dem Abzug der Bundeswehr haben die afghanischen Verbindungsleute begründete Angst massakriert zu werden. Der Afghanistan-Feldzug der Bundeswehr ist der dritte aufeinanderfolgende Krieg, den eine deutsche Armee bedingungslos verloren hat. Die wahren Verlierer werden aber die Afghanen sein, die der Rache der Sieger zum Opfer fallen.
Die Einmischung in innere Angelegenheiten des Nahen Ostens bringt nichts, insbesondere wenn die Akteure die morgenländische Diplomatie nicht beherrschen. Bleibt noch die Frage, was es den Grünen zu Hause nutzt. Sie werden einen Haufen türkische Wähler verlieren, die jetzt wegen der teilweise überzogenen Kritik an Erdogan erbost sind.