Emotionale und geheimnisvolle Augenblicke eines Wahlkampfs
In einer Bildgeschichte von Wilhelm Busch besuchte der Junggeselle Knops seinen Jugendfreund, den Pädagogen Rektor Debisch, der einen aufgeweckten Sohn namens Kuno hatte, welchem er trockene Lektionen erteilte. „Mit des Geistes Kraft allein, schneidet er in die Seele ein“ kommentierte Busch diese didaktische Monokultur, welche Kuno nicht hinderte eine wertvolle Bordeauxflasche an der Dachrinne aufzufüllen und bei dieser Gelegenheit sehr zum Mißvergnügen seines Vaters einen toten Spatzen in die Flasche zu verbringen.
Mit der Alternative für Deutschland hat sich nun eine Professorenpartei gebildet, welche just wie Rektor Debisch auf Lektionen setzt, wenn es sein muß sogar in der Talkshow eines Staatsfunkers. Professor Luckes Überzeugungskraft und rhetorisches Talent in allen Ehren. Aber kann man eine Wahl mit trockenen Argumenten wirklich gewinnen? Auch wenn es gute Argumente sind?
Die Geschichte sagt nein. Wahlen werden nicht nur über die Vernunft, sondern auch über Emotionen gewonnen. Es muß ein Wir-Gefühl entstehen, eine Wechselstimmung und mystische geheimnisvolle Momente. Eine Anti-Euro-Partei im Staatsfernsehen, das ist schon ein Kulturbruch an sich. Alles was sich an Eurokritik bisher etabliert hat, ist im Internet entstanden. Die härtesten und am meisten gelesenen Kritiker waren immer Blogger. Die Alternative für Deutschland im Staatsfernsehen zu verankern, das ist als wenn man Elefanten in Grönland auswildert oder einen Tierschutzkongress in der Stierkampfarena abhält. Eskimos in der Gobi oder Buschmännern in Lappland wird die emotionale Heimat fehlen.
Wenn Professor Lucke im Internet auftauchte, dann wurde fast immer eine Talkshow besprochen. Hat der Winkeladvokat Gysi oder der Makroökonom Lucke bei prosieben die absolute Mehrheit? Ein Wir-Gefühl will da nicht aufkommen. Der Professor erinnert in solchen Situationen an die Intellektuellendemonstrationen 1989, die fast alle bei Tageslicht stattfanden und bei denen lange Reden geschwungen wurden. Die politischen Akteure, die sich dieser Podien bedienten, sind bei der anschließenden Wahl alle unter ferner liefen gelandet und in die außerparlamentarische Nichtexistenz durchgereicht worden. Eine richtige Demonstration oder Kundgebung findet nach Sonnenuntergang statt, es werden Kerzen gebrannt, die Reden sind kurz, die Demonstranten befinden sich in Bewegung, skandieren Sprechchöre und dürfen sich denken, was sie wollen und alles in einem geheimnisvollen Licht. Mystische Momente sozusagen. Jeder kann sich unter einer Grundidee zusammenphantasieren, was ihm gefällt. Die Leute lieben lange Würste, kurze Reden und ihre eigenen Ideen.
Diese eigenen Ideen kann man in Kommentaren, Internetforen und Blogs loswerden. Damit entsteht Identifikation. Die Piraten waren solange erfolgreich, wie sie im Netz unter sich blieben. Mit dem ersten Aufsitzen von Ponader in den bequemen Sesseln des Staatsfernsehens waren sie augenblicklich und endgültig erledigt. So einen Stilbruch verzeiht der Wähler nicht.
Es ist während wir diesen Artikel lesen, sicher einiges in Arbeit. Man darf drauf wetten, daß der Supercomputer von Fischer-Lescano gerade Luckes Doktorarbeit auf Plagiate seziert. LuckenPlag würde dem angeschlagenen Kanzlerkandidaten Peer mal eine Lücke im Pannenwahlkampf verschaffen. Oder die PI-Kader finden ein Alternative-Mitglied, das mal jemanden gekannt hat, der einen Großonkel hatte, der mit Hermann Göring auf der Jagd war. Das würde für einen prima Skandal reichen und beweisen, daß die Alternative rechtsradikal ist und vom Verfassungsschutz beobachtet werden muß.
Naja, vielleicht kommt es nicht so dick, man soll immer auch an das positive glauben: Die Programmfindung bei der AfD ist ja gut gelaufen. Und die Probleme in Bayern sind auch Geschichte. An ihrer emotionalen Aufladung muss die Alternative für Deutschland arbeiten. Der facebook-Auftritt ist ein erster Versuch. Ohne die Internetgemeinde und ohne das Organisieren von emotionalen Momenten wird die Alternative es schwer haben.