Qual der Wahl zwischen Mediengestaltung und Klempnerei
Die deutsche Lehrstellenstatistik 2012/2013 sagt aus, daß für 437.000 Bewerber 420.000 Lehrstellen zur Verfügung stehen. Das war vor 20 Jahren ganz anders. Durch die Republik hallte damals die Klage über den Lehrstellenmangel.
Sowohl unsere Lehrer als auch deren Schüler haben vordergründig Berufe im Blick, die man aus dem Dienstleistungsbereich kennt, weil sie direkten Kundenkontakt haben. Arzthelferin, Frisöse, Automechaniker und Verkäuferin sind als Ausbildungsberufe stärker nachgefragt, als Jobs in der Metalloberflächenbehandlung oder in der Lebensmittelindustrie, wo das Tätigkeitsgebiet irgendwo in einer Industriehalle im Gewerbegebiet liegt und wo man den Kunden und Endverbraucher nie sieht und von diesen auch nicht gesehen wird. Von Natur aus gibt es deshalb keine Chancengleichheit der Ausbildungsberufe.
Es gibt Traumberufe, die dem Kunst- und Musikunterricht oder dem auf Kreativität gebürsteten Zeitgeist entspringen wie Technischer Mediengestalter, Buch,- Kunst,- Antiquitäten- und Musikfachhändler, Veranstaltungsmanager, Raumausstatter, Veranstaltungs-, Kamera- und Tontechniker sowie Bühnen- und Kostümbildner. Alle diese Jobs sind hoffnungslos überlaufen und im späteren Leben oft unterbezahlt. Ein Schulabgänger wurde von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt nach seiner Berufspräferenz gefragt und antwortete, daß etwas Technisches für ihn nicht in Frage kommt, weil man da nichts diskutieren kann. Wenn der wüßte, was im Ingenieurbereich, auf der Baustelle und in der Werkhalle alles zerlabert wird…
Die Kehrseite der Traumberufe sind die Jobs, die eklig sind oder ein schlechtes Image haben. Zum Beispiel Klempner oder Bankkaufmann. Die sind weniger nachgefragt, als es der Arbeitsmarkt eigentlich hergibt.
Lehrberufe mit guten Zukunftsaussichten und einem hohen Überangebot sind nicht nur derzeit, sondern seit 2 Jahrzehnten folgende:
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Bewerber 2012/13 |
Lehrstellen 2012/13 |
Land- und Tierwirtschaft |
1810 |
2484 |
Naturstein, Mineralien, Baustoffe |
197 |
933 |
Industrielle Glasherstellung |
149 |
542 |
Kunstststoffverarbeitung |
839 |
2854 |
Metalloberflächenbehandlung |
185 |
812 |
Energietechnik |
9380 |
14790 |
Feinwerk- und Werkzeugtechnik |
3117 |
5964 |
Kraftfahrer |
1606 |
4269 |
Obige Berufe sind leider nicht die Präferenzen der Lehrer. Mit technischen Berufen fremdelt das Bildungswesen. Das liegt wohl daran, daß viele Lehrer einen Industriebetrieb nie betreten haben und daß Technik unter dem Generalverdacht steht, die Umwelt zu zerstören. Die Landwirtschaft wird aus der Sicht mancher Leute nur betrieben, um Tiere zu quälen. In Dänemark und einigen anderen Ländern hat man die Notbremse gezogen. Da wird von Lehrern erwartet, daß sie mal in einem anderen Beruf gearbeitet haben. In Deutschland gibt es auch Seiteneinsteiger. Allerdings kommen die fast alle von der Uni und haben nur ein anderes Fach als Lehramt studiert.
Ein deutscher Schulleiter wurde gefragt, wie er vorgeht, um die umliegenden Betriebe in seiner Schule bekanntzumachen. Er wies darauf hin, daß die Betriebe sich bei einer Messe im Schulgelände bei den Schülern vorstellen könnten. Ist das Arroganz, Ahnungslosigkeit oder Hilflosigkeit? Einen Eindruck über einen Beruf kann man sich nur am jeweiligen Arbeitsplatz verschaffen. Man muß schon mal in die Betriebe gehen, statt sich Hochglanzbroschüren von lächelnden langbeinigen Messehostessen (Mindestgröße 1,70 m) aushändigen zu lassen.
Jedes Jahr dasselbe Bild: Berufe mit Hungerlöhnen wie Frisöse sind überlaufen, während attraktive Industrieberufe wie Sauerbier an den Mann oder an die junge Frau gebracht werden müssen. Es gibt in Deutschland bei den IHK´s etwa 1200 Mitarbeiter, die sich nur um Berufsausbildung kümmern und etwa genausoviele bei den Arbeitsagenturen. Solange diese Profis die 680.000 Lehrer in Deutschland nicht motivieren können, die Arbeitswelt etwas umfassender kennenzulernen, zu begreifen und zu kommunizieren, wird sich nichts bessern. Der Traumberuf der meisten Lehrer ist übrigens Lehrer.
Hallo Herr Prabel,
danke für den sehr interessanten Text, der regt zum nachdenken an! Da ist es wohl auch an der Zeit, dass die Industrie selbst dafür sorgt ihren Ausbildungsberufen ein entsprechend attraktives Image zu verpassen. Aber ich gebe Ihnen Recht mit einer Hochglanzbrochüre allein ist diese Sache sicher nicht getan!