Alexis Sorbas und die Bank of Cyprus
Der Anfang der 60er Jahre veröffentlichte Roman „Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis berichtete über einen Schriftsteller, der ein Kohlebergwerk geerbt hatte, welches wegen maroden Holzstempeln einstürzte. Um den Schaden zu reparieren, wurde Alexis Sorbas mit der Herstellung einer Seilbahn für den Holztransport beauftragt, die bei der Inbetriebnahme zusammenbrach, weil Sorbas nur Wein, Tanz, Gesang und Weiber im Kopf hatte. Kommerzielles und technisches Geschick war nicht die Stärke der Romanfiguren. Kazantzakis war Prophet und Hellseher, sein Werk ist eine Parabel, ein Gleichnis für das griechische Geschäftsmodell. Mit Anthony Quinn in der Hauptrolle wurde das Buch 1964 verfilmt und brach alle Kassenrekorde der Kinos. Überall in Europa wurde Sirtaki getanzt.
2012 wurde in Zypern ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 17,5 Mrd. € erreicht. Dazu steuerte 2 % die Landwirtschaft bei, etwa 9 % Bergbau, Industrie, Energie- und Wasserversorgung, etwa 7 % das Bauwesen und 81 % Dienstleistungen bei. Bei den Dienstleistungen dominierten der Tourismus, der 1,6 Mrd. € erwirtschaftet hat und damit 9 % des BIP. Weiterhin das Kredit- und Versicherungswesen, unternehmensbezogene Dienstleistungen und öffentliche Verwaltung mit 4,7 Mrd € = 30 %.
Die Bank of Cyprus und die Laiki-Volksbank hatten Mitte 2012 eine Bilanzsumme von 67,5 Mrd. €. Das ist das 3,7fache der Wirtschaftsleistung der Insel. In dieser Wirtschaftsleistung ist die „Leistung“ des Finanzsektors mit enthalten, so daß sich gemessen an der Realwirtschaft ein höherer Faktor errechnet.
Richtig klarmachen kann man sich den Wahnsinn, wenn man den Kreditbedarf der zyprischen Wirtschaft abschätzt: Wenn man annimmt, daß der zyprische Durchschnittsbetrieb mit 50 % des Umsatzes verschuldet ist, was bei Kleinbetrieben schon eine obere Grenze darstellen dürfte, so kommt man auf einen Kreditbedarf der zyprischen Wirtschaft von etwa 5 bis 6 Mrd. €. Dieselbe Summe kann man noch einmal in der Immobilienfinanzierung unterbringen, ohne eine Blase zu erzeugen. Für etwa 50 bis 60 Mrd. € der Bankeinlagen herrschte also sogenannter Anlagenotstand, das heißt die Banken mußten Spielchen mit dem Geld machen, weil es in Krediten nicht unterzubringen war und um das Geld „arbeiten“ zu lassen. Zum Beispiel wurden griechische Staatsanleihen gekauft, die beim sogenannten Haircut ein Loch von 4 Mrd. € in die zyprischen Bankbilanzen gerissen haben. Weitere Unsicherheiten sind bei Engagements in der aufgeblähten griechischen Schiffsfinanzierung entstanden. Allein die 4 Milliarden aus dem griechischen Haircut entsprachen 2012 in etwa dem Wert des Eigenkapitals der beiden Banken.
Das kann man aus der letzten Bilanz der Bank auf Cyprus erschließen. Am 30.9.2012 betrug die Bilanzsumme 36,2 Mrd. €. Das Eigenkapital belief sich auf 2,3 Mrd €. 11,4 % davon gehörten dem Staat Zypern, weitere 2 % dem Staat Griechenland. Inzwischen wird per 27.4.2013 die Marktkapitalisierung mit 371 Mio € ausgewiesen. 2 Mrd. € sind den Eigentümern in sieben Monaten durch die Hände gerieselt.
Die Laiki Bank wies am 30.06.2012 eine Bilanzsumme von 31,3 Mrd. € aus. Das Aktienkapital hatte einen Wert von 2,1 Mrd. €. Für ein Vierteljahr von März bis Juni wurden Abschreibungen von 1,45 Mrd, € ausgewiesen. Der Wert der Aktien ist inzwischen nach der Verstaatlichung gleich Null, das Eigenkapital weg.
Was meint das Handelsblatt, wenn es am 18.03.2013 schrieb, daß man vor allem die Bankeigentümer haften lassen solle, und nicht die Bankkunden? Das ist populistisches Gewäsch, denn die Aktionäre, wozu übrigens auch der zyprische und der griechische Staat gehören, haben längst alles verloren und der Handelsblatt-Gastschreiber seinen Verstand. An der Wirtschaftskompetenz der Handelsblatt-Mannschaft konnte man schon bei der Empfehlung zweifeln, griechische Staatsanleihen zu kaufen.
Wenn die Laiki Bank zumacht und das restliche Bankensystem schrumpft, so bedeutet das, daß das zyprische BIP etwa um 10 % geringer wird. Gleichzeitig steigen durch die Rettung die zyprischen Staatsschulden um rund 10 Milliarden. Professor Sinn behauptet, es seine 22 Mrd. €. Gemessen am BIP von 17,5 Mrd. € entsteht schon wieder eine rettungslose Verschuldungssituation, die eines Tages durch einen Haircut aufgelöst werden muß. Dieser Schuldenschnitt reißt die nächsten Banken und Versicherungen in den Abgrund. Es entsteht quer durch Europa eine Rettungsspirale, ein Malstrom, der alles in sich aufsaugt.
Der Bundesfinanzminister Schäuble kritisierte das Geschäftsmodell des zyprischen Eilands. Das ist fix dahergeplappert, denn die Realwirtschaft zu stärken dürfte ein langer und dorniger Weg sein. Die Handelsbilanz Zyperns läßt das erahnen: Die Exportquote lag bei 6,6 % des BIP, 2010 betrug das Handelsbilanzdefizit 5,3 Mrd, € bei einem Leistungsbilanzdefizit von 7,8 % des BIP. Deutschland beispielsweise lieferte für 581 Millionen € Waren und bekam aus Zypern Waren im Wert von 103 Mio. € zurück. Selbst das nicht so wettbewerbsfähige Griechenland lieferte für 1,034 Mrd. € und bekam Waren für 240 Mio € retour. Wenn man die Einnahmen aus dem Tourismus zu den zyprischen Exporten dazurechnet, und mit den Importen vergleicht, bleibt immer noch ein Jahresdefizit von knapp 4 Mrd. €.
Wie sich Zypern mit den gewährten Hilfskrediten aus dem Sumpf ziehen will, ist schleierhaft. Da fehlt alles: die Tradition, der Wille und die Erfahrung. Geldkapital ohne kompetente Leute nützt nichts. Alexis Sorbas hat viele Verwandte in Zypern.