Italiener lassen andere fahren
Auf der Autobahn von Modena zum Brenner läuft ein bedeutender Teil der italienischen Außenhandels. Wenn man sich die Speditionen anschaut, fällt auf, daß fast nur Holländer, Polen, Österreicher, Deutsche und Türken unterwegs sind, aber wenige Italiener. Sind die Italiener nicht fähig einen Camion, zu deutsch einen Lkw zu lenken?
Lenken und hupen können sie schon. Aber sie haben keine Lust größere Speditionen zu betreiben. Sie sind nämlich nicht konkurrenzfähig. Für den deutschen Spediteur kostet eine Kündigung eine geringe 5stellige Summe in Euro. Wenn der Italiener jemanden entlassen muß, kostet das etwa eine Viertelmillion.
Das Arbeitsrecht entscheidet in der EU über die Betriebsgrößenstruktur. Italien, Spanien und Frankreich mit fürstlichen Abfindungen bei Kündigungen haben deutlich weniger Mittel- und Großbetriebe, als Deutschland.
In Frankreich und Italien machen Einmannunternehmen über 65 % der Betriebe aus. Ganze 5-6 % der Betriebe haben mehr als 10 Mitarbeiter. In Deutschland dagegen sind es 20 %. Die deutschen Großunternehmen über 250 Mitarbeiter haben etwa 8,9 Mio sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (Institut für Mittelstandsforschung, Bonn).
In den französischen Großbetrieben sind nur 4,06 Mio. Beschäftigte angestellt.
Tabelle Betriebsgrößen in %
Mitarbeiter |
Chef arbeitet alleine |
2 bis 9 Mitarbeiter |
> 10 Mitarbeiter |
Deutschland |
30,7 |
49,2 |
20,1 |
Italien |
65,2 |
29,8 |
5 |
Frankreich |
65,5 |
28,9 |
5,6 |
Spanien |
52,5 |
42,1 |
5,4 |
Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern werden bei der Produktion von Waren und beim Export nie die Stars sein. Die Industriestruktur im Club Med ist nicht leistungsfähig genug, um die Außenhandelsbilanzen in Ordnung zu bringen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Spanien hat das Arbeitsrecht kürzlich modernisiert. Bis sich Auswirkungen in der Betriebsgrößenstruktur zeigen, wird es dauern, denn Spanien hat die Notbremse erst in der Krise gezogen. Italiens Regierung hat eine Arbeitsmarktreform durchgeführt, die den Namen nicht verdient. Es bleibt alles beim alten. In Frankreich ist man wahnsinnig überheblich. Über die Ursachen der Misere wird nicht einmal nachgedacht.
Leidtragende sind vor allem die Jüngeren. Frankreich, Italien und Spanien haben erschreckende Arbeitslosigkeitszahlen für die Jugendlichen zu bieten. Die jüngeren Arbeitnehmer sind auf dem Schwarzmarkt, bei Saisonarbeiten und in befristeten Jobs unterwegs und werden dort schlechter bezahlt, als fest angestellte Leute im Staatsdienst.
Als der Wasserhahn im sizilianischen Ferienhaus kaputt war, kam so ein netter Junge mit einem Fiat ohne Firmenaufschrift daher. Er hatte eigentlich nur eine Zange und ein bißchen Dichtungsband mit. Er mußte auch aufs Dach und fragte mich, ob ich eine Leiter habe. Ich hatte meine Leitern nicht in den Urlaub mitgenommen und sagte ihm, daß meine Leitern leider in einem tiefen finsteren Wald in Germanien sind, wo ein langer Winter ist.
Anmerkung zum Schluß: Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat Statistiken über CO2, über Vogelarten, über die von Armut und Ausgrenzung betroffene Bevölkerung und über die Nachhaltigkeit des Verkehrs für ganz Europa präsent. Die Betriebsgrößenzahlen muß man sich in den nationalen Statistikinstituten regelrecht zusammensuchen. Jedes Land hat eine andere Methodik der Erfassung. Es ist wirklich schwierig vergleichbare Zahlen zusammenzustellen. Kein Wunder, daß in Brüssel nichts läuft. Die haben zu wirklich wichtigen Sachverhalten keine brauchbaren Analysen. Wenn die Brüsseler Politkommissare was richtig machen, ist es wirklich Zufall.
Hallo Herr Prabel,
Ihr Artikel hat mir gefallen!. Angesichts des Streits um den Artikel 18 im italienischen Arbeitsrecht (Kündigungsschutz) und den Jobs-Act interessieren mich die Betriebsgrößenklassen sehr. Wo kann man entsprechende Statistiken für Italien bekommen?
Mit freundlichen Grüßen Lothar Lappe